Am 15. und 16. Februar 2025 fand die elfte Pirate Security Conference begleitend zur Münchner Sicherheitskonferenz mit Expert*innen an der Schnittstelle von Technologie, Geopolitik und Resilienz statt. Marcus Welsch, Autor des monatlichen Monitor Luftkrieg Ukraine analysierte jüngste Luftkriegsdaten und leitete Empfehlungen für die Ukraine-Unterstützung ab. Die Konferenz wurde überschattet von der Neuausrichtung der geopolitischen Prioritäten durch die Trump-Regierung, die den Westen deutlich schwächt und neue Handlungsoptionen für Russland eröffnet.
Geopolitischer Kontext
Die Abkehr der Trump-Regierung von der Ukraine, verbale Angriffe auf Bündnispartner und gezielte Einmischung in die Bundestagswahlen hat Risse im transatlantischen Bündnis offenbart. Der Mangel einer konsistenten Strategie Europas, der Abhängigkeit von den USA und der US-amerikanische Politikwechsel verschiebt die strategische Balance und eröffnet neue Handlungsoptionen für Russland, die durch die Eröffnung von bilateralen „Friedensgesprächen“ unter Ausschluss der Ukraine und Europas bereits aufgegriffen wurden.
Europa muss nun konsequenter und proaktiver auftreten, um den Wegfall der US-amerikanischen Unterstützung zu substituieren und eine starke Verhandlungsposition zu erwirken.
Die russische Luftkriegstrategie
Marcus Welsch analysiert seit Herbst 2022 den russischen Luftkrieg gegen ukrainische zivile Infrastruktur und Städte. Für die Kyjiwer Gespräche im Rahmen des monatlichen „Monitor Luftkrieg Ukraine“. Die Grundlage der Analyse bildet eine kontinuierlich wachsende Datenbank der über 22.000 russischen Luftschläge auf zivile Ziele, die Rückschlüsse auf die Strategie des Kremls zulassen.
Russland setzt auf eine quantitative Strategie zur Überwältigung der ukrainischen Flugabwehr. Die Drohnen- und Raketenangriffe haben seit März 2024 stark zugenommen. Immer öfter werden „Drohnenattrappen“ und zur Kostensenkung modifizierte Drohnen und Raketen eingesetzt. Obgleich sich die Abfangfähigkeiten der ukrainischen Luftverteidigung stetig verbessern, können ohne ausreichende Munitionslieferungen aus dem Westen jedoch nicht erfolgreich operieren.
Westliche Rüstungsindustrie
Besonders Deutschland hat Investitionen in die Produktion von Flugabwehrmunition verzögert, was in Engpässen resultierte. Produktionskapazitäten in Europa müssen erhöht durch langfristige Abnahmegarantien und Investitionen erhöht werden, nicht nur, um den Munitionsbedarf der Ukraine zu decken, sondern auch die eigenen Lagerbestände wieder aufzufüllen.
Strategische Offensiv-Verteidigung
Die Freigabe, westliche Waffen auch in Russland einzusetzen, war wichtig für den Schutz ukrainischer Städte und sollte durch die Lieferung von Waffentypen mit langer Reichweite – wie dem Taurus - gestärkt werden. Die erfolgreichen Angriffe auf Logistikhubs und Flugplätze im russischen Hinterland haben die Angriffe mit schwer abfangbaren Gleitbomben und ballistischer Raketen - zumindest kurzfristig - minimiert.
Soziale Folgen des russischen Luftkriegs und Folgekosten für Deutschland
Neben dem grausamen Krieg an der Frontlinie bringt jede nicht abgefangene Rakete oder Drohne Schaden, Verletzungen und Tod in ukrainische Städte und Infrastruktur. 10? Millionen Ukrainer wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben als „IDPs“ (Internally Displaced People) in der Ukraine oder als Geflüchtete im Ausland. Durch die Luftschläge auf die Wärme- und Stromversorgung im Winter kann Russland Migration als Waffe einsetzen, um durch erneute Millionen Geflüchtete europäische Staaten zu überfordern und zu destabilisieren.
Das Institut für Weltwirtschaft Kiel hat errechnet, dass eine verstärkte militärische Unterstützung der Ukraine günstiger (Faktor 20!) ist als die Folgen einer ukrainischen Niederlage.
Russische Informationskriegsführung
In den letzten Tagen hat die US-Regierung russische Propaganda-Narrative im Wortlaut übernommen. Russische Desinformationskampagnen sind nicht nur eine Bedrohung für den demokratischen Diskurs sondern tragen zu Erschöpfung und Abnahme der westlichen Unterstützung für die Ukraine bei.
Moralische und Kulturelle Dimension
Für Ukrainische Intellektuelle und Kulturschaffende ist mit einer ukrainischen Niederlage nicht nur der Verlust von Menschen und Territorium verbunden, sondern die Gefahr, dass die Demokratisierung, Korruptionsbekämpfung, Verbesserung des Lebensstandards, diese Erfolge, die auch Menschen in anderen Ländern der Region Hoffnung auf Veränderung gaben, verloren gehen.
Durch betonte Zivilität und Mangel an sicherheitspolitischen Wissen hat es die deutsche Intellektuellen- und zivilgesellschaftliche Szene nicht vermocht, westlichen Politikern verbindliche Unterstützung und substanzielle Ukraine-Strategie abzuringen.
Auch drei Jahre nach Russlands Vollinvasion haben die führenden EU-Länder keine belastbare Strategie entwickelt, wie Russland zu einer Beendigung des Krieges gezwungen werden kann.
Der Rückzug der USA aus der Ukraine-Unterstützung wird der letzte Weckruf sein. Die Unterstützung der Ukraine ist nicht nur militärische Hilfe. Sie ist ein Investment in europäische Stabilität und Sicherheit.
Die Pirate Security Conference ist eine seit 2014 jährlich stattfindende Konferenz zu internationaler Sicherheitspolitik organisiert durch das Netzwerk der Piratenparteien. Sie findet parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz in München statt. Dieses Jahr referierten unter anderem Dr. Benjamin Tallis (Democratic Strategy Initiative), Aaron Gasch Burnett (Democratic Strategy Initiative), Olena Tragub (Independent Defense Anti-Corruption Commission NAKO), Dietmar Pichler (disinformation analyst), Stephen Douglas (Former OSCE monitor, Gründer disinfolkore.net), Theresa Fallon (Centre for Russia Europe Asia Studies CREAS).